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Ist das Kunst oder kann das weg?

 

Zwischen Faszination und Irritation: NFTs in der Kunstwelt
Ein Gastkommentar von Alexander Brunner

2017 gaben die Softwareentwickler Hall und Watkinson 10.000 kostenlose NFTs aus – virtuelle Besitzzertifikate auf der Blockchain, die mit algorithmisch generierten Portraits von durch die Londoner Punk-Szene inspirierten Figuren verbunden sind, sogenannten CryptoPunks. Im Februar 2022 plante das Auktionshaus Sotheby’s, 104 dieser Punks zu einem Gesamtwert von 30 Millionen US-Dollar zu versteigern. Ein Jahr zuvor, im März 2021, versteigerte das Auktionshaus Christie’s ein NFT des Künstlers Mike Winkelmann für 69 Millionen US-Dollar. 2019 kreierte der Schweizer Künstler Johannes Gees 360 NFTs, die auf einer Laserplattform basieren. Diese erzielten 2021 ebenfalls eine Millionenbewertung. Als neue Spielform der digitalen Kunst sind NFTs eindeutig im Mainstream der Kunstszene angelangt – und haben sich zu einem heiss begehrten Investitionsobjekt entwickelt. 

Digitale Welt trifft Kunstwelt

Zur Begriffsklärung: Ein NFT (Non-fungible token) ist im Kern ein digitaler Wegweiser zu einem digitalen oder auch physischen Objekt, ähnlich einem digitalen Besitzzertifikat. Dieses Zertifikat wird unabänderlich und öffentlich auf der Blockchain gespeichert. 

Lange Zeit fristete Digital Art bzw. Generative Art, also über Computer-Algorithmen generierte Kunst, ein Nischendasein. Dies war vor allem darauf zurückzuführen, dass digitale Objekte einfach, günstig und schnell kopierbar sind – und damit ohne grossen Wert für Sammler oder Investoren.

Durch die Verbindung mit nicht fälschbaren digitalen Zertifikaten in der Form von NFTs hat sich dies rapide gewandelt. Digital Art hat damit eine immense Aufwertung erfahren und ist „salonfähig“ geworden. Nicht nur Auktionshäuser und Galerien freuen sich über den neuen „Rush“ auf digitale Kunst; auch für die KünstlerInnen selbst eröffnet sich hier ein völlig neuer Markt.

„Mit NFTs gerät der tradierte Kunstbegriff an seine Grenzen.“ 

Während die eher technologieferne Kunstwelt sich bisher in einem gemächlichen Rhythmus bewegte, bringt jetzt die technologische Beschleunigung auf Basis der Blockchain-Technologie rapide Innovationen hervor. Dasselbe kennen wir aus der Wirtschaftswelt: Wo neue Techno­logien auf Lebenswirklichkeiten treffen, entsteht ein grosses Beschleunigungs-Momentum. Man denke nur an die Transformation des Buchhandels durch Amazon oder der Musikwelt durch Spotify.

Ein neuer Kunstbegriff?

Als die ersten NFTs im Kunstbereich „einschlugen“, erregten sich die Gemüter: Kann Digital Art überhaupt Kunst sein? Kann man digitale Kunstwerke nicht ganz einfach kopieren? Was sich digital vervielfältigen lässt und damit alles andere als rar ist, kann im herkömm­lichen Sinne doch nicht wertvoll sein – oder etwa doch?

Wie definiert sich Kunst? Und ist Kunst nur dann „gute“ Kunst, wenn sie viel Geld kostet? Wo geht die physische (Kunst-)Welt in eine digitale Welt über? Klar ist: Mit NFTs gerät der tradierte Kunstbegriff an seine Grenzen. Gleichzeitig ist es seit jeher Aufgabe der Kunst, Zeitgeschehen kritisch zu reflektieren und mit tradierten Vorstellungen zu spielen.

Die Verbindung von NFTs und Kunst zeigt einmal mehr:  Wo Innovationen stattfinden, geht Tradiertes „zu Bruch“. Aus meiner Sicht ist das Schöne an technologischer 

Beschleunigung, dass sie in rapider Abfolge eine Fülle an neuen Ideen und Projekten hervorbringt. Sie fördert die Iteration als wesenseigenes Element des kreativen Schaffens. Gleichzeitig wirft die schnelle Vervielfältigung die Frage auf, ob Generative Art überhaupt künstlerisch gehaltvoll und von nachhaltigem Wert ist. Worin besteht die Qualität, was wird Bestand haben?

„Digital Art ist ,salonfähig’ geworden.“ 

Digital Art als Prestige-Objekt

Heute zählen die bekannten Bored Apes (Yacht Club) oder die eingangs erwähnten CryptoPunks zu den teuersten NFTs. Sie geniessen Kultstatus in der Krypto-Welt und erregen starke mediale Aufmerksamkeit. Durch die hohen Preise (mehrere hunderttausend Dollar) werden sie in den Sozialen Medien stolz zur Schau gestellt. Das rückt eine weitere wichtige Funktion der Kunst in den Fokus: Sie pusht den sozialen Status und das Prestige ihrer BesitzerInnen und verschafft ihnen Zugang zu exklusiven Kreisen – ähnlich wie bei der traditionellen Kunst. 

In diesem Zusammenhang sei die Frage erlaubt: Geht es hier überhaupt noch um Kunst – oder geht es nur noch um Investments oder mediale Selbstdarstellung? Während die einen Generative Art als visionär, ikonisch und zukunftsweisend betiteln, prangern andere sie als reisserisch und gehypt an. 

Ein weiteres Spannungsfeld ist das Verhältnis zwischen Kapital und Kunst: Auf der einen Seite betonen Künst­lerInnen allzu gern ihre Distanz zum Kommerz der Kunstwelt; andererseits profitieren sie von der ungeheuren Wertentwicklung ihrer künstlerischen Kreationen. Beide Aspekte treffen bei NFTs mit grosser Wucht auf­einander. 

Fusion von digitaler und physischer Kunst

Seit längerem kooperiere ich mit dem Zürcher Künstler Christian Etter. Er ist Gründer des Museum of Digital Arts in Zürich und hat mein Buch Crypto Nation Switzerland gestaltet. Aktuell arbeitet er an einer physischen Skulptur, die digitale NFT-Elemente integriert. Sein Ziel: die bis dato mehrheitlich digitale Kunst in die physische Welt zu transportieren. Dabei ist es ihm wichtig, dass sein Kunstwerk sowohl digital als auch physisch ästhetisch überzeugt. Als Mitinitiator dieses Kunstprojekts faszinieren mich der kreative Prozess und die Herausforderungen an der Schnittstelle von Digitalem und Physischem.

Digital Art – eine vielversprechende Investition?

Selbst der Verband der Schweizer Kunsthändler setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich die Digitale Transformation auf die Kunstwelt auswirkt. Die Frage ist: Wo geht die Reise hin? Werden NFTs in der Kunst eine Eintagsfliege bleiben oder haben sie nachhaltiges Zukunftspotenzial? Lohnt sich eine Investition?

Mich erinnert der aktuelle Hype um NFTs an den Initial-Coin-Offering (ICO) Boom 2017. Damals nahmen unzählige Blockchain-Startups mittels Fundraisings grosse Geldsummen auf. Kurz darauf korrigierte der Krypto-Markt stark nach unten. Dabei entpuppten sich die meisten Projekte als Luftschlösser und die InvestorInnen verloren teilweise viel Geld. Ähnliches kann ich mir bei NFT vorstellen. Tatsächlich kann derzeit niemand eine verlässliche Prognose abgeben. 

Kunst als Spiegel der Gesellschaft

Digital Art hat durch die Blockchain-Technologie innerhalb weniger Jahre den Einzug in die klassischen Kunstwelt gefunden. Hohe Auktionspreise und starke mediale Aufmerksamkeit haben dem Nischendasein der Generative Art ein Ende bereitet. Ob das nachhaltig sinnvoll ist oder nicht, wird die Zukunft zeigen. Doch schlussendlich soll Kunst der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und den kritischen Diskurs fördern. Genau diesen Beitrag können NFTs mit Blick auf den rapiden digitalen Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft leisten. 

 

„Kunst soll der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und den kritischen Diskurs fördern.“

Foto © Filipa Peixeiro

Zur Person

Alexander E. Brunner aus Zürich arbeitet als Berater für internationale Technologie-Unternehmen. Zudem ist er Autor zum Thema Digital Assets sowie Mitglied des Zürcher Gemeinderats. Seit vielen Jahren ist er als Kunstliebhaber persönlich am Kunstmarkt interessiert und fördert KünstlerInnen im In- und Ausland.

Bevor Alexander für die Kult-Eismarke Ben&Jerrys arbeitete, studierte er Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen HSG in der Schweiz. Später war er über ein Jahrzehnt lang in den Bereichen Alternative Anlagen, Hedge-Fonds und Impact Investing tätig, bevor er Senior Executive bei einem schwedisch-schweizerischen Big Data Startup wurde.

Alexander ist Autor von Crypto Nation Switzerland, dem ersten Buch über das Schweizer Crypto Valley (2019). Weiterhin verfasste er den ersten Swiss Digital Asset and Wealth Management Report (2021). 

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