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Tschüss, und auf bald! - swisspartners – The art of finance

Tschüss, und auf bald!

Das Leben geht auch nach Brexit weiter. Europas Konsumenten sind nicht von der Bildfläche verschwunden. Für neue Anlagechancen haben wir noch Pulver im Trockenen.

Grossbritanniens historischer Abstimmungsentscheid für einen Austritt aus der Europäischen Union (EU) überraschte Meinungsforscher, Wettbüros sowie die Finanzgemeinde (antizipierten doch zuvor die Anlagemärkte ein Ja zur EU). Die Volatilität sowie die Kurskorrekturen an den Finanzmärkten fielen dramatisch aus. Europäische Blue Chips büssten 15% und mehr ein, Aktien britischer Hausbauer verloren bis zu 30% und das britische Pfund markierte ein 30-Jahres-Tiefst.

Die ausgeprägte reflexartige Reaktion war das Resultat selbstzufriedener Märkte im Vorfeld der Abstimmung. Grossbritannien selbst dürfte die Region sein, welche am meisten unter den Folgen der Abstimmung leiden wird. Der Rücktritt des Prime Ministers sowie führender Mitgliedern der Labour Party in den nächsten Tagen könnte ein gefährliches politisches Vakuum hinterlassen.

Die Gefahr ist real, dass Schottland aus dem Vereinigten Königreich austritt, gefolgt von Nordirland, welches die Wiedervereinigung mit Südirland anstreben könnte. Grossbritanniens Bürger werden wohl bald erwachen, sich hintergangen fühlen und von Gewissensbissen geplagt. Dies könnte sich akzentuieren, sollten Importgüter sowie Auslandferien teurer werden und die Arbeitslosigkeit anziehen. Es scheint kein Plan vorhanden zu sein, wie die neue Situation anzupacken ist. Die Versprechen, die Immigration zu reduzieren sowie das nationale Gesundheitssystem NHS pro Woche mit zusätzlichen 350 Millionen Pfund pro Woche zu unterstützen, haben sich in Luft aufgelöst.

Standard & Poor’s senkte als erste Agentur das Rating für Grossbritannien von AAA auf AA. Und das Pfund Sterling dürfte angesichts des hohen Haushaltsdefizits Englands noch mehr fallen. Unglücklicherweise ist Grossbritannien eine dienstleistungsorientierte Volkswirtschaft mit geschrumpfter Industriebasis, sodass ein Währungszerfall keine allzu grosse Hilfe bietet.

Noch besorgniserregender ist jedoch der grosse Riss, der die britische Gesellschaft entzweit: Alt gegen Jung, Stadt gegen Land, Reich gegen Arm. Diese Konflikte wurden durch die erschreckend rüde Tonalität beider Kampagnenlager vertieft und benötigen Zeit, um zu verheilen. Trotz alledem: Das Leben geht weiter, die britische Wirtschaft wird überleben, wenn auch in einer schwächeren Gangart. Die EU hat eines ihrer pragmatischsten und handels-orientiertesten Mitglieder verloren, und Grossbritannien wird aller Voraussicht nach weniger attraktive Bedingungen haben, um mit der weltgrössten Freihandelszone Handel zu betreiben.

Lediglich ein “Bis auf bald?“

Um den Mechanismus eines EU-Austritts in Gang zu setzen, muss ein Land zuerst den Artikel 50 des Lissabonner Vertrags aufrufen oder der EU einen formalen Brief präsentieren. Der gesamte Prozess könnte zwei Jahre oder länger dauern. Solange bleibt also das Vereinigte Königreich festes Mitglied der EU. Wann dieser langwierige Austrittsprozess beginnt, obliegt voll Grossbritannien. Das Inselreich bestimmt den Zeitplan, auch wenn einige EU-Mitglieder einen möglichst raschen Austritt fordern.

Grossbritannien hat nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft die verbleibenden Mitglieder zutiefst verletzt. Da tut eine Abkühlungsphase gut, um die Emotionen auf beiden Seiten zu glätten. Im Vereinigten Königreich sind Referenden zwar nur beratend und gesetzlich nicht bindend. Schlussendlich muss also das Parlament entscheiden, wo anscheinend 75% der Mitglieder EU-freundlich gestimmt sind. Es besteht also eine, wenn auch kleine Chance, dass der Brexit vom Parlament verworfen wird. Zudem besteht die Möglichkeit eines zweiten Referendums. Ein solches hätte jedoch nur eine Chance, wenn die EU noch weitere Zugeständnisse an das Inselreich machen würde. Sobald die Konservativen eine neue Parteiführung gewählt haben und auch andere Parteien, die klar zur EU-Mitgliedschaft stehen, die allgemeinen Wahlen gewinnen, könnte der Brexit-Entscheid gekippt werden.

Denkt man ausserhalb gewohnter Muster besteht auch die Möglichkeit, dass sich eine parteiübergreifende Pro-EU-Koalition bildet. Die Grünen, Liberaldemokraten, Labour, die Schottische Nationalpartei sowie die Konservativen unterstützten entweder die „Remain“- oder die „Leave“- Kampagne. Wenn nun genügend gleichgesinnte Individuen denken, dass die EU-Mitgliedschaft wichtiger sei als das Parteibuch, dann könnten recht bald Neuwahlen einberufen werden.

Weder 2008 noch 2011

Doch mit dem Brexit vor Augen dürfte sich das Wirtschaftswachstum in Europa sowie im Rest der Welt verlangsamen, höchst wahrscheinlich am meisten in Grossbritannien. Wir befürchten jedoch keine fatale Abschwächung. Die Banken sind in viel besserer Verfassung als in den Krisenzeiten nach 2008, und Europas Zentralbank kann nach dem kürzlichen Entscheid des obersten deutschen Gerichts mehr oder weniger frei agieren – ganz gute Nachrichten also für eine Wirtschaft, die auf billigem Geld beruht.

Europas Elite ereilte ein ziemlich schockierender Weckruf, und wir denken, dass die EU nie mehr dieselbe sein wird wie zuvor. Deren Fanfarenstösse ertönten laut und klar, aber sie sollten nun etwas pragmatischer, ausgewogener und verständlicher erklingen. Der politische Wille für ein geeintes Europa ist nach wie vor stark. Der Brexit-Entscheid führt vielleicht zu einer EU mit konzentrischen Kreisen: mit einem noch stärker integrierten Kern (Deutschland, Frankreich, Holland und anderen), einem zweiten Kreis mit Staaten wie Spanien und Italien, welche noch einige Aufgaben zu erledigen haben, sowie einem dritten äusseren Kreis mit Ländern wie Griechenland und Portugal, wo es noch viel zu tun gibt.

Es ist noch zu früh, um all die Konsequenzen des Brexits abzuschätzen. Aber sobald sich die Emotionen gelegt haben wird man hoffentlich realisieren, dass 500 Millionen Konsumenten nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Ausserdem muss in Europa eine Organisation den Wunsch gleichgesinnter Länder nach Freihandel sowie nach Lösungen gemeinsamer Probleme wie Klimawandel wahrnehmen und ein Gegengewicht zu US-amerikanischen und chinesischen Interessen bilden. Wenn nicht die EU, wer dann?

Noch etwas Pulver im Trockenen

Wir waren im Vorfeld des britischen Referendums in Sorge, dass sich die Märkte etwas selbstgefällig zeigen. Denn eine Brexit-Wahrscheinlichkeit von 30% ist nicht Null. Wir reduzierten deshalb unser Aktienengagement, erhöhten die Cashbestände, setzten auf eine erhöhte Volatilität sowie auf andere Alternativen, um das Kapital unserer Portfolios abzusichern. Nach dem Brexitentscheid am Freitag begannen wir angesichts der panikartigen Kurskorrekturen Blue-Chips aus Europa und den USA zu kaufen. Ob wir richtig liegen, werden wir mit der Zeit erfahren. Auf jeden Fall haben wir noch einiges Pulver im Trockenen, um unser Aktienengagement weiter aufzustocken, sollten die Preise noch weiter fallen.

 

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